«Nachhaltigkeit ist mehr als nur der Verzicht auf Plastiktrinkhalme»
Luxus im Zeichen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit? Die Dolder Hotel AG, zu der das Zürcher Fünfsternhotel Dolder Grand gehört, macht es vor. Dazu zählen insbesondere die zwei internen Teams D-Force und D-Impact, die vor zwei Jahren gegründet wurden. Anlässlich des internationalen Earth Day am 22. April 2021 verraten die Initianten, Senior Sales Manager Sonja Schärer und Quality & Sustainability Manager Stefan Aerni, ihre Erfolge und wo es noch Optimierungspotenzial gibt.
Nachhaltiger Tourismus wird zunehmend wichtig. Viele Reisende erkundigen sich beim Buchen aktiv nach Projekten, die dies unterstützen, oder nach der CO2-Bilanz. Ganz direkt gefragt: Wie sieht es denn mit den CO2–Emissionen in der Dolder Hotel AG aus?
Stefan Aerni: Bei den Treibhausgasemissionen und dem CO2-Ausstoss «Scope 1 + 2» sind wir nicht schlecht unterwegs. Also dort, wo wir unseren Verbrauch und unsere Emissionen selbst steuern können. Wir verdanken dies unter anderem unserer eingekauften Energie aus Schweizer Wasserkraftwerken und den 70 Erdsonden der Geothermieanlage im Hotelgebäude. Während des Umbaus des Dolder Grand 2004-2008 liessen wir diese einbauen und verringerten unsere Treibhausgasemissionen damit massiv – obwohl wir die Nutzfläche ausgebaut haben. Berechnen wir nun den Ausstoss pro Gästeaufenthalt, verbraucht jede Person bei uns etwas mehr als 20 Kilogramm CO2. Die «konventionelle» Fünfsternehotellerie in der Schweiz liegt gemäss Erfahrungswerten mehr als dreimal so hoch. Wir sind also insgesamt auf einem guten Weg!
Das klingt erfreulich. Und wo gibt es Luft nach oben?
Stefan Aerni: Das grösste Optimierungspotenzial sehe ich im Energie- und Wasserverbrauch. Diese sind zwar CO2 -arm, die Kosten sind jedoch erheblich. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Warmwasser für die Gäste zunächst aufbereitet werden muss. Dafür braucht es Energie. Wir prüfen gerade den Einbau zusätzlicher Untermessstellen im Gebäude. Damit können wir feststellen, wo am meisten Wasser verbraucht wird, um mit entsprechenden Massnahmen zu reagieren.
Spricht man vom Ressourcenverbrauch in einem Hotelbetrieb, ist die Rede oft von Lebensmitteln. Welche Rolle spielt Food-Waste in der Dolder Hotel AG?
Stefan Aerni: Es ist ein wichtiges Thema, nicht zuletzt aus moralischen Gründen. Die Speiseabfälle werden zu Biogas verarbeitet, damit sie nicht einfach im Abfall landen. Wir bemühen uns, den Anteil von Food-Waste so gering wie möglich zu halten. Ich möchte das Thema trotzdem etwas einordnen: Der Anteil der Gastronomie am Food-Waste ist hierzulande mit unter zehn Prozent verhältnismässig gering. Ein grosser Teil entsteht in privaten Haushalten, in der industriellen Lebensmittelverarbeitung und in der Landwirtschaft. Neben Food-Waste gibt es viele weitere Abfallsorten, darunter umweltschädliche wie Plastikabfälle. Der Verbrauch von Ressourcen wirkt sich allgemein massiv auf die Umwelt aus.
Welche Ressourcen sind hier gemeint?
Stefan Aerni: Ich meine den Ressourcenverbrauch generell. Wir fragen uns zum Beispiel: Woher beziehen wir unsere Produkte, und wie werden diese verpackt? Wie wurden die Produkte hergestellt? Aus diesem Grund haben wir mit unseren Lieferanten und Partnern Vereinbarungen geschlossen, in denen sie sich zur Einhaltung bestimmter sozialen und ökologischen Standards verpflichten.
Am 22. April ist der internationale Earth Day. Was geht euch dazu spontan durch den Kopf?
Sonja Schärer: Mit freiwilligen Mitarbeitenden findet dieses Jahr zum ersten Mal eine Waldaufräumaktion statt. Gemeinsam sammeln wir liegen gebliebenen Abfall ein und entsorgen ihn fachgerecht. Der zuständige Kreisforstmeister wird uns besuchen und uns etwas zur Waldbewirtschaftung als Ursprung der Nachhaltigkeitsidee erzählen – darüber freuen wir uns sehr. Eigentlich sollte jeder Tag ein Earth Day sein. Es ist wichtig, sich täglich – nicht nur am 22. April – damit auseinanderzusetzen, wie wir mit der Natur umgehen!
Im Hotelbetrieb kümmern sich eure Teams D-Impact und D-Force seit zwei Jahren um Nachhaltigkeitsthemen. Was sind ihre Aufgaben?
Sonja Schärer: Beide Teams wollen einen Beitrag für unsere Zukunft leisten und das Bewusstsein für soziale und ökologische Nachhaltigkeit im Haus fördern. Aktuell kümmern sich zwölf Freiwillige verschiedener Abteilungen und Hierarchiestufen im D-Impact-Team darum. Ihnen ist Nachhaltigkeit auch privat ein Anliegen. Anfang 2019 gründete ich es neben meiner eigentlichen Funktion als Senior Sales Managerin, da ich früh festgestellt habe, dass das Thema viele Mitarbeitende interessiert und sie eigene Ideen miteinbringen wollen. Es gab also grosses Potenzial für künftige Aktionen. Inzwischen haben wir zum Beispiel einen «Vegan Wednesday» mit regionalen und saisonalen Produkten im Mitarbeiterrestaurant eingeführt und dafür gesorgt, dass der Anteil von Einwegbechern und Pet-Flaschen für alle 500 Mitarbeitenden eliminiert wurde. Pro Jahr sparen wir damit rund 50’000 grosse 1.5 L PET-Flaschen ein.
Stefan Aerni: Ich habe etwas später das D-Force-Team als ergänzendes Nachhaltigkeitsteam gegründet, um vor allem das Projekt zur EarthCheck Zertifizierung zu leiten. EarthCheck ist eine weltweit führende wissenschaftliche Benchmarking-, Zertifizierungs- und Beratungsgruppe für die Reise- und Tourismusbranche. Nach einer eineinhalbjährigen intensiven Implementierungsphase haben wir im Dezember 2020 die Erstzertifizierung unseres Umweltmanagementsystems erhalten. Ein grosser Erfolg für den gesamten Betrieb. Zudem unterstütze ich beide Teams als Quality & Sustainability Manager auch konzeptionell und systematisch.
Was bedeuten solche Zertifizierungen?
Stefan Aerni: Sagen wir es so: Sie ist wichtig für uns, weil sie für den erfolgreichen Abschluss einer längeren Implementierungsphase steht. Das Label ist aber zweitrangig – quasi das Tüpfchen auf dem i. Wichtiger ist, dass wir mit der Zertifizierung den notwendigen Rahmen erhalten haben. Für uns ist Nachhaltigkeit jetzt messbar, systematisch und konzeptionell. Sie sorgt für Glaubwürdigkeit und Transparenz nach aussen und nach innen. Trotzdem geht die Arbeit jetzt erst richtig los, denn wir müssen zum einen jedes Jahr sicherstellen, dass wir die Anforderungen dieses Umweltmanagementsystems einhalten. Zum anderen haben wir uns dazu verpflichtet, unsere Leistungen fortwährend zu verbessern.
Also nach der Zertifizierung ist vor der Zertifizierung?
Stefan Aerni: Ja, so ungefähr. Jedes Jahr werden wir in den Audits durch externe Fachstellen auf Herz und Nieren geprüft. Etwa zum Ressourcenverbrauch, zum Abfallmanagement, aber auch zur sozialen Nachhaltigkeit und zu Mitarbeiterthemen. Es sind umfangreiche Anforderungen, die wir erfüllen müssen. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht einfach nur, auf Plastiktrinkhalme zu verzichten.
Was treibt euch zu eurem Engagement an? Immerhin setzt ihr euch neben eurer Arbeit für diese Themen ein.
Sonja Schärer: Was mich damals zum Thema Nachhaltigkeit führte, treibt mich heute noch an: Interesse, Neugierde und der Wille, einen Beitrag zu leisten.
Ich fragte mich zum Beispiel eines Tages, was mit unseren übrig gebliebenen Seifen in den Hotelzimmern geschieht. Dabei stiess ich auf SapoCycle. Die Non-Profit-Organisation recycelt über ein soziales Integrationsprogramm gebrauchte Hotelseifen und spendet sie an bedürftige Familien. Im Jahr 2020 waren es fast 285 Kg Seifen! Wir sind auf dem richtigen Weg, und der Nachhaltigkeitsgedanke fliesst auch in unsere alltäglichen Entscheidungen mit ein.
Stefan Aerni: Mein Engagement und meine Aufgaben sind nicht mehr voneinander zu trennen. Inzwischen machen Nachhaltigkeitsthemen einen Grossteil meiner täglichen Arbeit aus. Entsprechend haben sich meine Funktion und mein Titel geändert. Durch das Umweltmanagementsystem muss ich mich systematisch und konzeptionell mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Meine Erfahrung im Qualitätsmanagement ist da sicherlich von Vorteil. Was mich jedoch antreibt, ist der Anspruch, unsere Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Wir sind zwar noch nicht perfekt, aber wie Mark Twain schon sagte: «Continuous improvement is better than delayed perfection».