Der grinsende
Manga-General
Takashi Murakami – ist das nicht der, der farbige Blümchen auf Louis-Vuitton-Taschen druckte? Exakt. Kaum einer jongliert so souverän mit Kunst, Kult und Kommerz wie der eigensinnige Japaner.
Die schlechte Nachricht zuerst: Takashi Murakami ist pleite. Fast, jedenfalls. Sagt er selbst in einem Video, das er Mitte Juli auf Instagram gepostet hat. COVID-19 sei schuld daran, meint er da, entschuldigend lächelnd, dass sein neuestes Filmprojekt («Jellyfish Eyes, Part 2») nun auf Eis gelegt werden müsse. Und Künstler seien halt «very foolish people», sehr törichte Menschen.
Kann das sein? Der Japaner – Markenzeichen: John-Lennon-Brille, Piratenbart, auch mal einen Plastik-Oktopus als Hut auf dem Kopf – ist schliesslich ein Superstar, millionenschwer dank seiner Kunst, die von Leonardo DiCaprio und Justin Bieber und Pharrell Williams und Drake gekauft wird, und zwar leidenschaftlich, vor allem aber auch dank seines geradezu warholesken Gespürs, wie man Kultur und Konsum so miteinander kreuzt, dass daraus Kult und Kapital hervorgehen. Unvergessen Murakamis Gastspiel bei Louis Vuitton, wo er die ewigen Monogrammtaschen mit rosa Blüten, prallen Kirschen und Glubsch-Äugchen sprenkelte. Die Hochkultur war entsetzt. Die Sammler, Trendsetter, Bohemiens und Meinungsmacher jedoch deckten sich damit ein, und die Fans kauften brav, was übrigblieb.
Dass dieser Hochseilakt zwischen Luxus und Trash nicht nur glückte, sondern Murakami geradewegs in den Popkultur-Olymp führte, war natürlich kein Zufall. Ausgebildet an der hoch renommierten Kunstakademie Tokyo Geijutsu Daigaku – inklusive Doktorat, notabene – richtete Murakami seine hyperpoppigen Kunstgeschosse von Beginn weg zielgenau auf Topgalerien, Creative Center und die Chefetagen personalstarker Unternehmen: Wer die Alphatierchen reitet, hat den Rest ohnehin im Sack.
Clever kalkuliert ist das, sicher – bloss steckt eben auch Können und Kenntnis dahinter. Der mattgoldene Grund seiner grossformatigen Gemälde: von den Ahnen der japanischen Kunst gelernt. Die wuchernden Pilze: eine grausam bunte Reverenz an Hiroshima und Nagasaki. Die glotzenden Äuglein überall: Da weht das «Wir beobachten euch, ihr beobachtet uns»-Lebensgefühl von einem, der zur Zeit des Kalten Krieges aufgewachsen ist; noch dazu im traumatisierten, zutiefst gekränkten Nachkriegsjapan, wo man schauen musste, wie man dem in Richtung Wohlstand rasenden Amerika mehr schlecht als recht hinterherhinkte. Und mal ehrlich: Hätten die Franzosen einen irren Manga-Meister in den heiligen Hallen von Versailles ausstellen lassen (2010), wenn der nicht perfekt über Delacroix, Courbet, Monet Bescheid wüsste?
«Superflat» nennt Murakami das, was all dies – vergoren, destilliert und bis zur Unkenntlichkeit aufgehübscht – amalgamiert. Ein Schelm, wer darin Ironie wittert. (Oder ists doch Sarkasmus?) Wie sonst sollte man ein süssstoffgetränktes Anime-Universum taufen, in dem alles auf reine Fassade macht? Und, Folgefrage: Was soll einer, der mit einer Armee hysterisch lächelnder Gänseblümchen in die Hochkultur einmarschiert, anderes tun, als sich eine Kommandozentrale zu errichten? Kaikai Kiki Co. nennt sich, einmal mehr kindlich-heiter, Takashi Murakamis Homebase, von wo aus er als hinterlistig grinsender General regiert – und dutzende Künstler, Animationsfilmer, Tontechniker, Designer und PR-Profis an einer Parallelwelt bauen lässt, in der das Fröhliche jeden Moment ins Schauderhafte zu kippen droht.
Kippt die Zentrale nun selbst, womöglich? Und wenn schon. Einen wie Murakami schwemmt so eine kleine Welle nicht weg. Der surft darauf! Oder er taucht darin ab, um noch schräger, schelmischer, provokativer wieder an die Oberfläche zu kommen. Dass er den dafür nötigen langen Atem hat, darüber besteht kein Zweifel: Mit Billie Eilish hat er unlängst nicht nur Klamotten designt, sondern auch ihren wohl besten Videoclip gestaltet. Für Kanye West tat er das Gleiche 2007 – da war Billie sechs.