«Selbst im Winter können wir den Sommer in uns entdecken»
Shi Xing Mi ist ein international bekannter Shaolin-Mönch, Managementberater und Keynote-Speaker mit italienischen Wurzeln. Seine Workshops rund um die Themen Achtsamkeit und Meditation, darunter auch im Dolder Grand, sind sehr populär. Im Gespräch erklärt er, weshalb wir just in der gegenwärtigen Lage stärker auf positive Gedanken achten sollten und weshalb Disziplin wichtig ist.
Das neue Jahr hat gerade begonnen, aber nicht alle freuen sich auf 2021. Wie können wir trotzdem glücklich werden – und es bleiben?
Indem wir mit kleinen Schritten beginnen und uns «gesunde Gewohnheiten» antrainieren: Zum Beispiel können wir heute versuchen, uns jeden Tag stärker auf das Gute in unserem Leben zu konzentrieren statt auf das Negative. Etwas Neues zu lernen, regelmässiger Sport sowie tägliche kurze Meditationseinheiten helfen ebenso. All diese kleinen Schritte zusammengefügt führen zu gelasseneren Tagen und zu einem insgesamt glücklicheren und zufriedeneren Jahr.
Und abgesehen von der aktuell anspruchsvollen Lage, welchen Ratschlag gibst du uns, um den «Winterblues» zu vertreiben?
Selbst im trübsten Winter können wir einen unzähmbaren Sommer in uns entdecken!
Okay, und was bedeutet das genau?
In jedem Garten können wir Blumen oder Gras sehen. Anders ausgedrückt: Jede Situation beinhaltet sowohl Negatives als auch Positives.
Du meinst also, dass unsere Einstellung davon abhängt, wie wir das Leben betrachten?
Genau. Fokussieren wir uns stärker auf das Gute im Leben, vertreiben wir einen Teil unserer «grauen Wolken» im Kopf. Meditieren kann dabei wie gesagt sehr hilfreich sein. Unser Kopf lernt dadurch, den Ursprung von Stress und Angst aufzulösen, bis sie uns schliesslich kaum mehr belasten.
Homeoffice ist seit dem Ausbruch von COVID-19 ein fester Bestandteil des Alltags zahlreicher Arbeitstätiger. Manche haben genug davon. Was rätst du ihnen?
Es ist paradox: Damals, als wir noch täglich ins Büro gehen mussten, wollten wir lieber zu Hause bleiben. Heute ist es umgekehrt. Im Sommer ist es uns zu heiss, im Winter zu kalt. Das Leben ist in einem kontinuierlichen Wandel begriffen. Geniesst die Reise und das Gute, das uns jede Zeit bietet. Sie wird schon früh genug enden!
Und wenn wir dazu gar keine Zeit haben? Auch im Homeoffice sind wir vor Stress und Hektik nicht gefeit.
Oftmals vergessen wir, regelmässige und kurze Pausen einzulegen. Nach jeder Stunde intensiver Arbeit sollten wir uns Zeit nehmen, um den Stresszustand zu mildern. Denn der Geist ist oftmals hyperaktiv und der Körper bewegungslos, da er zu lange sitzen muss. Am besten gelingt uns das durch kurze Spaziergänge, Atemübungen, Dehnübungen oder eben durch Meditation. Neben diesen Übungen sind eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf enorm wichtig.
Klingt nach ganz schön viel Arbeit!
Natürlich geht nichts ohne Disziplin. Aber nicht die Menge ist auschlaggebend, sondern die Stetigkeit dieser Übungen. Wenn wir sie regelmässig durchführen, entwickeln wir mit der Zeit eine Abwehr gegen Stress, weil wir auf Körper und Geist achtgeben. Achtet regelmässig auf eure Gewohnheiten und Gedanken und ihr werdet euch besser fühlen!
Wir im Westen sind demnach eine von Stress geplagte Arbeitsgesellschaft. Welche «Krankheiten» beobachtest du sonst noch?
Ich stelle drei Muster in unserer Gesellschaft fest: Erstens lassen wir unseren Problemen zu viel Platz und beschweren uns regelmässig. Dabei gibt es für viele im Grunde nichts, worüber sie sich beschweren könnten. Zum Glück! Zweitens kümmern wir uns zu wenig um uns selbst, bis die ernsten Probleme auftauchen. Und schliesslich begegnen wir unserem Umfeld nicht mit dem nötigen Mass an Mitgefühl.
Du selbst wirkst dagegen stets ausgeglichen. Was bringt dich in Rage?
Ich mag es nicht, wenn ich bei jemanden mangelnden Respekt, mangelnde Empathie oder mangelnde Höflichkeit feststelle. Arroganz und aggressives Verhalten sind in meinen Augen inakzeptabel. Richtig wütend werde ich aber kaum.
Meditation Retreat im Dolder Grand 2022
Bereits zum dritten Mal führt das Dolder Grand gemeinsam mit Shi Xing Mi einen zweitägigen Workshop zu diversen Disziplinen durch. Auf dem Programm stehen unter anderem Shaolin-Fitness sowie Atem-, Meditations- und Achtsamkeitsübungen. Das Meditation Retreat im vergangenen November erfreute sich bei den Besuchern so grosser Beliebtheit, dass das nächste bereits im Mai 2022 stattfindet. Nähere Details zu den Daten, den Übernachtungsangeboten sowie zum Programm werden noch bekannt gegeben.
Botschafter und Vertreter
Shi Xing Mi zählt zu den ersten nichtchinesischen Shaolin-Meistern, die den Tempel des buddhistischen Mönchsordens der Shaolin in Dengfeng vertreten und die Lehren weltweit vermitteln. Das Kloster in China gilt als Geburtsort des Kampfstils Kung-Fu, des Zen-Buddhismus sowie des Ordens, dessen 32. Generation Shi Xing Mi angehört. Heute tritt er unter anderem auch als Keynote-Speaker an Kongressen und als Autor auf, trainiert professionelle Athleten und berät Weltkonzerne, CEOs und Manager. Unter dem Credo «Ancient Wisdom for the modern Times» verbindet er die Philosophie der Shaolin mit zeitgenössischem Leben. Er studierte Philosophie und Wirtschaft in China und Australien und war bereits mit 27 Jahren CEO eines Unternehmens. Shi Xing Mi heisst mit bürgerlichem Namen Walter Gjergja und stammt aus Italien. Seit seinen Teenagerjahren widmet er sich der Kunst des Shaolin-Kung-Fu.